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Wenn die Straße zum Wohnzimmer wird

Viele Städte praktizieren es schon, nun sollen auch in Krefeld temporäre autofreie Straßen zum Leben erweckt werden.

Um die Lebensqualität in der Stadt zu erhöhen, werden in regelmäßigen Abständen stark befahrene Straßen für Kraftfahrzeuge gesperrt und den Menschen geschenkt. Der Verzicht auf das bequeme Auto vor der Haustüre wird zum Gewinn an Lebensqualität. Nicht immer, doch immer sonntags in den Sommerferien. Nicht überall, doch eine prominente Verkehrsachse ist vielleicht nur der Anfang. Was passiert auf einer Straße ohne Autos?

Wir werden mehr hören, wenn der Verkehrsfluss für einige Stunden verstummt:

ein spielendes Kind, den klingelnden Radfahrer, die Unterhaltung auf der anderen Straßenseite und den übenden Klavierspieler von nebenan, auch das Rauschen der Bäume und das Krächzen der Stadtraben.

Wir werden mehr riechen ohne Abgase:

Knoblauchgerüche aus der Pizzeria an der Ecke, den Holunderstrauch im Vorgarten, die frisch gestrichene Fassade des Nachbargebäudes, das Parfüm der Dame mit dem Hund, die elegant die Straße quert.

Schließlich werden wir mehr sehen:

denn wir haben Zeit, die Welt um die Straße herum zu betrachten. Motorisiert sind wir zu schnell; alle Aufmerksamkeit gilt dem Verkehr. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad jedoch können wir Details erkennen – eine skurrile Vorgartenlaube, ein dekoriertes Wohnzimmerfenster, eine schöne Hausansicht und wir erleben den Raum der Straße neu, der uns plötzlich viel weiter erscheint.

Was wird mit diesem Raum geschehen, wenn die Autos fortbleiben? Wie wird die Straße “bespielt” werden? Dies ist das Geschenk an die Menschen. Mehr hören, mehr riechen, mehr sehen. Die Straße wird zu einem Ort mit Aufenthaltsqualitäten und die Bürger werden sich dieses Geschenk zu eigen machen:

Kinder werden Streethockey spielen, Familien Rad fahren, Verliebte flanieren, Jogger werden vor der Haustüre joggen, Nachbarschaften das Straßengrün verschönern, das Café einen provisorischen Biergarten einrichten. Vielleicht wird ein Verleih eröffnet, der Kettcars, Liegeräder und allerlei alternatives Gerät zur Fortbewegung anbietet, vielleicht ein Tretrollerrennen veranstaltet, vielleicht eine provisorische Strandbar eröffnet. Alles was Spaß macht ist möglich.

Am Ende ist es aber nicht die einmalige Veranstaltung eines großen Straßenfestes, das die Menschen begeistert, sondern das selbstverständliche, regelmäßige Umnutzen von verkehrsreichen Straßen in attraktive öffentliche Flächen – nutzbar für alle -, das langfristig die Qualität der Stadt prägen wird.

Summer Street in New York City

New York macht es, Paris macht es auch, Bogotà macht es überall und Köln macht es auf den Ringen: die Städte schenken ihren Bürgern Straßen ohne Autos. Zeitlich begrenzt und mit geringen Investitionskosten wird damit viel Lebensqualität geschaffen, frei nach dem Motto: sonntags gehört die Straße ihren Menschen.

In den Metropolen der Welt ist es schon längst zum städtischen Alltag geworden: „Man sperrt eine viel befahrene Straße einige Stunden für den Verkehr und plötzlich erschließt sich eine neue Welt voll von überraschenden Qualitäten.“ So könnte auch in Krefeld eine prominente Verkehrsachse der Stadt in den Sommermonaten zum attraktiven Boulevard für Roller, Radler und Flaneure werden. Dort, wo an Wochentagen normalerweise Kolonnen von Autos und Kleintransporter fahren, wo Busse und Bahnen die Fahrbahnen besetzen, überlässt die Stadt ihren Bürgern nun jeden Sonntag die gesamte Straße, um zu tun, was einem beliebt: mitten auf der Straße Rad fahren, spielen, Musik hören oder nur verweilen. Dafür müssen Autos, Busse und Bahnen in dieser Zeit draußen bleiben. Entschleunigung ist gefragt. Ruhiger, ohne Gefahren und Abgase, mit Raum und Zeit erleben die Bürger ganz neue Qualitäten ihrer Stadt.

Vor Beginn des Projektes Summer Street Krefeld werden alle notwendigen Fachbereiche der Stadt, sowie die Polizei, die Betreiber der öffentlichen Verkehrsmittel und die betroffenen Anlieger an einem runden Tisch zusammengebracht. Abstimmung ist gefragt, um den unterschiedlichen Anforderungen und den technischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung gerecht werden zu können. Eine eigens dafür gegründete Koordinationsgruppe entwickelt dazu ein für alle Beteiligten tragfähiges Konzept zur temporären Straßensperrung im Krefelder Stadtgebiet.

Neben einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen, besteht die wichtigste Aufgabe der Koordinationsstelle in der Umsetzung des Projektes unter Berücksichtigung der vielen unterschiedlichen Bedürfnisse der direkt betroffenen Anlieger. Alle sollen von derSummer Street profitieren: die Anlieger wie die Besucher, Wohnquartiere wie die Innenstadt, die Kinder wie die Senioren. Denn sie erhalten den Straßenraum.
Die Entscheidungsfindung, welche Straßen für eine Sperrung in Frage kommen, muss dabei möglichst offen geführt werden. Schließlich legt man bei der Auswahl folgende Kriterien zu Grunde: Die Straße soll eine gewisse Prominenz und Aufenthaltsqualität besitzen, sie soll im Stadtgrundriss eine räumliche Nähe zu möglichst vielen Nachbarschaften/Quartieren haben und mit der Innenstadt verbunden sein, um viele Menschen anzusprechen. Zudem wünscht man sich die Nähe zu vorhandenen Plätzen, Parks und öffentlichen Einrichtungen, um ggf. begleitende Zusatzveranstaltungen anbieten zu können. Schließlich muss ein gewisses Angebot an (Außen-)Gastronomie vorhanden sein.

Auch musst festgelegt werden, in welchem zeitlichen Rahmen die temporäre Sperrung erfolgt. Da hier zunächst keine Erfahrungswerte vorliegen, könnte man an vier Sonntagen in den Sommermonaten einen ersten Testlauf durchzuführen. Die Menschen werden Rad fahren, Vereine Rollhockey spielen, vielleicht wird ein Basketballtunier veranstaltet, der benachbarte Fitnessclub richtet einen „Muscle Beach“ ein und eine Tanzschule bietet Schnupperkurse open air an. Bierbänke werden auf die Straße geschoben, Spanferkel gegrillt und Schulklassen bemalen die Fahrbahn.

Vielleicht wird ein Verleih eröffnet, der Kettcars, Liegeräder und allerlei alternatives Gerät zur Fortbewegung anbietet, vielleicht ein Tretrollerrennen veranstaltet, eine provisorische Strandbar eröffnet. Alles was Spaß macht ist möglich.
Nach jeder Sperrung wird sich das Koordinationsteam über die Erfahrungen beraten und wenn nötig, schnell Veränderungen umsetzten und Rahmenbedingungen neu anpassen, um die Nachhaltigkeit des Projektes zu erhöhen.

Zeitlich flexibel, inhaltlich offen und mit relativ geringem Kostenaufwand verbunden kann Summer Street damit zu einem festen Bestandteil des öffentlichen Raumes in Krefeld werden und leistet im sensiblen Gefüge des städtischen Grundrisses einen attraktiven Beitrag zur gerechten Verteilung des knappen Gutes „Straßenraum“.

Urbanität bedeutet, dass viele Menschen auf begrenztem öffentlichem Raum unterschiedlichsten Aktivitäten nachgehen können.

Das Straßennetz als dynamischer öffentlicher Raum ist stark von Nutzungskonflikten geprägt. Diese entstehen vor allem dort, wo die begrenzte Erschließungsfläche sowohl vom fließenden Individualverkehr, von öffentlichen Bahnen und Bussen, von geparkten Autos, Radfahrern, Skatern und Rollbrettfahrern, von Fußgängern und von Flaneuren beansprucht wird, die jeweils unterschiedliche Flächenbedürfnisse besitzen und sich mit zum Teil erheblichen Geschwindigkeitsunterschieden bewegen.

Die Moderne reagierte auf diese Vervielfältigung der Fortbewegungsmöglichkeiten mit dem Konzept der baulichen Funktionstrennung. Jeder Verkehrsbereich erhält seinen eigenen, geschützten Lebensraum. Der Autofahrer nutzt eine Fahrbahn und den Stellplatz für sein Auto, der ÖPNV eine separate Bus- oder Bahnrasse, der Fußgänger den Gehweg, später eine ganze Fußgängerzone und der Radfahrer, wenn noch Raum übrig blieb, einen Radweg. Nach jahrzehntelanger Erfahrung können wir heute feststellen, dass dieses Konzept auf Grund des überproportional ansteigenden KFZ-Aufkommens unweigerlich an seine Grenzen stoßen muss. Aus der einzelnen Fahrbahn wurden mehrspurige Schnellstraßen, durch aufgeständerte Hochstraßen und Tunnelanlagen ergänzt, die einen reibungslosen Verkehrsfluss sicherstellen sollen und zu den kostspieligsten Bauwerken überhaupt zählen.

Das größte Konfliktpotential auf unseren innerstädtischen Straßen besteht in den unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen sich die Teilnehmer fortbewegen. Und auch dabei nimmt der KFZ-Verkehr eine einsame Spitzenposition ein, da sich ein Auto in der Regel 10 bis 12 mal schneller bewegt, als ein Fußgänger und immerhin noch 4 mal so schnell wie ein Fahrradfahrer oder ein Skater.

Hinzu kommt der spezifische Flächenverbrauch, der beim Auto sogar 20 mal größer ist als bei einem Fußgänger. Da die Straße aber einen begrenzten Raum darstellt, der nicht ohne weiteres ausgedehnt werden kann, erfolgt die Verteilung der Flächen zwangsläufig zu Gunsten des KFZ-Nutzers. Ein Ungleichgewicht, das noch eklatanter erscheint, wenn man den Qualitätsverlust des öffentlichen Raumes berücksichtigt, den das Autofahren in dicht bebauten und genutzten Gebieten mit sich bringt. Alle Städte leiden unter der erheblichen Schadstoffbelastung und dem gesundheitsschädlichen Lärmpegel des motorisierten Individualverkehrs. Die Aufenthaltsqualität sinkt gegen Null.

Wie kann es gelingen, unter diesen schwierigen Voraussetzungen urbane Qualitäten in den Städten zu erzeugen. Und was heißt überhaupt urbane Qualität?

Urbanität bedeutet, dass viele Menschen auf begrenztem öffentlichen Raum unterschiedlichsten Aktivitäten nachgehen können. Ein ideales Beispiel ist der innerstädtische Platz, der morgens als Marktplatz dient, mittags von Gastronomen bewirtschaftet und nachmittags von Kunden der Einzelhandelsgeschäften frequentiert wird, der abends schließlich durch ein Kultur- und Kneipenangebot zur öffentlichen Bühne avanciert.

Wenn der öffentliche Raum multifunktional sein soll, darf eine Nutzung die andere nicht ausschließen

Das Bespielen eines solchen Platzes mit unterschiedlichen Programmen gelingt umso besser, je zurückhaltender die „Möblierung“ der Fläche mit platzgestaltenden Elementen ausfällt. Dafür muss das größte Augenmerk aus die Oberflächen des Belags fallen, die der den unterschiedlichen Nutzungen gerecht werden muss. Zudem braucht es ein professionelles Zeitmanagement, das in Abstimmung mit allen Beteiligten die Nutzungszeiträume festlegt und entsprechende Maßnahmen für temporäre Umbauten koordiniert.

Die Qualität dieses Platzes als punktueller urbaner Raum kann teilweise auf die Straße als lineare Struktur übertragen werden. Dann reden wir von einem Boulevard, einer Flaniermeile oder einem Corso. Die Qualität der Nutzung verändert sich leicht zugunsten von Bewegung und Erschließung. Der Raum wird „dynamisiert“, ohne jedoch seine Eigenschaft als Aufenthaltsfläche zu verlieren. Auch hier müssen die notwendigen Einbauten sorgfältig ausgewählt und platziert werden (less is more), dem Belag kommt eine noch größere Bedeutung zu, um die Begeh- und Befahrbarkeit für unterschiedlichste Nutzungen sicherstellen zu können und schließlich muss ein Zeitmanagement schwer zu vereinbarende Nutzungen zeitlich organisieren, ohne sie per se durch Verbote zu untersagen.

Ohne Zweifel erzeugen die oben beschriebenen Maßnahmen eine hohe urbane Qualität, die die Städte attraktiver werden lassen. Jedoch können auch mit dem Instrument des Zeitmanagements alleine öffentliche Verkehrsräume ohne weitreichende Investitionen in bauliche Veränderungen attraktiver werden. Bekanntes Beispiel ist die temporären Sperrung von Straßenzügen für Wochenmärkte, die allseits große Akzeptanz erfahren. Sonderveranstaltungen, wie Quartiertsfeste, Umzüge, Radrennen, Marathonläufe etc. sind ebenfalls Bestandteil einer lebendigen Stadtkultur. Auf Grund ihres Eventcharakters spielen sie jedoch keine einheitliche Rolle in der Beantwortung der Frage, wie nachhaltig die Lebensqualität in der Stadt verbessert werden kann.

Man sperrt eine Straße für den motorisierten Verkehr und eine neue Welt erschließt sich

Da der motorisierte Individualverkehr eine nachhaltige Belastung für die Lebensqualität in der Stadt darstellt, jedoch gleichzeitig ein unabdingbarer Bestandteil der städtischen Erschließung geworden ist, müssen neben den üblichen verkehrsberuhigenden Maßnahmen, die beachtliche finanzielle der Kommune binden, neue Wege beschritten werden, um den öffentlichen Straßenraum für alle attraktiver zu gestalten.

Die in regelmäßigem Turnus erfolgende Sperrung einzelner Straßenzüge für den Verkehr kann hier eine Maßnahme sein, um den Bewohnern die Straße nicht nur als notwendige Verkehrsachse mit allen negativen Begleiterscheinungen, sondern auch als einen attraktiven öffentlichen Raum zugänglich zu machen.

Temporär-autofreie Verkehrsflächen erhöhen somit die Lebensqualität in der Stadt. Man sperrt eine Straße für den motorisierten Verkehr und eine neue Welt erschließt sich für den Bürger. Ruhiger, ohne Gefahren und Abgase, mit Raum und Zeit erleben die Menschen neue Qualitäten ihrer Stadt. Der Straßenraum – heute fast ausschließlich als Erschließungsader und Abstellbereich für den motorisierten Individualverkehr (MIV) genutzt – wird dabei wieder zum vielseitig nutzbaren öffentlichen Raum für alle. Um eine Maßnahme wie die beschriebenen Summer Streets in Krefeld erfolgreich durchführen zu können, sollten folgende Punkte besondere Beachtung finden:

Kommunikation:

Alle Betroffenen/Akteure wie Anwohner, städtische Fachbereiche Planung, öffentliche Ordnung, Grün-fläche, SWK, Verkehrspolizei etc. müssen durch Partizipation von Anfang an in die Planung eingebunden werden

Zeitmanagement:

Eine Koordinationsstelle muss die unterschiedlichen Belange/Einwände/Bedürfnisse untereinander abstimmen und einen Konsens herstellen, wann, wie oft und wo die Sperrungen erfolgen sollen

Akzeptanz:

Die Maßnahmen müssen professionell in die Öffentlichkeit kommuniziert werden (Slogan: Summer Streets -NYC, Paris Plage), um entsprechende Akzeptanz zu erzeugen

Revision:

Da alle Beteiligte planerisches Neuland betreten, ist es notwendig, die Erfahrungen aus den Maßnahmen immer wieder zur Nachbesserung zu nutzen.

Wie die Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, entwickelt sich dabei in der Regel ein äußerst nachhaltiges Konzept der temporären Umnutzung von Straßenräumen, das auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stößt und die Lebensqualität merklich verbessert. Damit leisten „dynamische Räume“ im sensiblen Gefüge des städtischen Raumes einen Beitrag zur gerechten Verteilung des knappen Gutes „Raum“.

Weitere Informationen zur aktuellen Summer Street in Krefeld finden Sie hier:

www.summer-street.de

 

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